Rund 1.500 Gäste aus Politik, Medien und Wirtschaft feiern bei der Stallwächterparty. Die Kosten für diese Feiern variierten seit 2010 zwischen 226.700 und 398.100 Euro. Allein für die Verpflegung der Gäste wurden bis zu 97.800 Euro ausgegeben. Der Steuerzahler von Baden-Württemberg kommt dafür auf. Doch da das nicht langt, kommen heikle Spenden von Unternehmen hinzu.

„Mit der Kleinen Anfrage 16/4398 haben wir bei der Landesregierung die Kosten der sogenannten ‚Stallwächterparty‘ erfragt, des jährlichen Sommerfestes der Vertretung des Landes beim Bund in Berlin, das traditionell die parlamentarische Sommerpause in Berlin einläutet“, so Emil Sänze, stellvertretender Vorsitzender der AfD-Fraktion.

„Was kostet so etwas, wer ist eingeladen, und wer sponsert so ein Fest? Erfreulich ist für alle Bürger und Steuerzahler, dass es 2018 gelungen scheint, die Ausgaben auf etwa 240 000 Euro zu begrenzen, nachdem man in den vergangenen Jahren sogar noch deutlich tiefer in die Tasche gegriffen hatte. Dennoch ist das ein erklecklicher Betrag für die Bewirtung der etwa 1500 persönlich geladenen Gäste, nämlich ‚Vertretern von Politik, Wirtschaft, Diplomatie, Medien, Kultur und sonstigen Persönlichkeiten‘. Diese Gästeliste – und wer sie nach welchen Kriterien erstellt – ist übrigens aus Datenschutzgründen so geheim, dass man sie einem gewählten Volksvertreter nicht mitteilen kann. Vielleicht erwartet man von uns, dass wir Abgeordneten uns aus den Hochglanzzeitschriften informieren“, kritisiert das Mitglied des Finanzausschusses Sänze. „Immerhin war man aber so freundlich, uns eine Liste der Sponsoren des Festes seit 2013 zur Verfügung zu stellen. Und die ist denn doch bemerkenswert.“

 

Selbst krankenversicherte Beitragszahler beteiligen sich an „Stallwächterparty“

So finden sich 2013 unter den Sponsoren mit jeweils fünfstelligen Beträgen zum Beispiel der französische Zuganbieter Alstom, der Baden-Württembergische Genossenschaftsverband e.V., die Daimler AG – wie jedes folgende Jahr mit 23 800 Euro – oder der Industrie-Zulieferer Hummel AG. Und die AOK Baden-Württemberg. „Ob das den krankenversicherten Beitragszahlern bekannt ist?“, meint dazu Rainer Podeswa, finanzpolitischer Sprecher der AfD Landtagsfraktion.

Mit weiteren vierstelligen und manchmal fünfstelligen Beträgen tragen etliche Mittelständler bei, aber auch der Softwarekonzern SAP und die Autozulieferer Michelin und Bosch. Bemerkenswert ist auch der Beitrag des aus Swarovski hervorgegangenen Unternehmens SWARCO (2013 und 2014 mit 5950 und 8330 Euro), das im Bereich der Automatisierung des Verkehrs und der Elektro-Ladeinfrastruktur eine herausragende Rolle einnimmt.

 

Post, Telekom, EnBW, Landesbank, KIT, Hochschule Pforzheim, ARTE, Hummel, Diehl, Google…

„Es ist verständlich, wenn Unternehmer im Zusammenhang mit den ihnen gefälligen politischen Zielen der Landesregierung in ihrem Sinne auffällige Landschaftspflege betreiben und man sie dafür am Glanz der herrschaftlichen Darstellung teilhaben lässt“, bemerkt Sänze dazu. „Auffällig wird es aber doch, wenn Betriebe mit Bundesbeteiligung wie Post und Telekom und vor allem mit Landesbeteiligung, wie EnBW (23 800 Euro), die Landesbank (3570 Euro), die Landesmesse (5950 Euro), die meines Wissens vom Landtag gegründete Stiftung Entwicklung und Zusammenarbeit (1000 Euro) sowie die öffentliche Hochschule Pforzheim (16 000 Euro), später (2016) das KIT und (2018) die Uni Hohenheim mit ansehnlichen Sachleistungen oder Geldbeträgen in die Festivitäten eingespannt sind“, führen Podeswa und Sänze aus.

„Wenn dann (2013) noch der im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Programme tätige Sender ARTE G.E.I.E., in dem SWR- und ZDF-Personal in Leitungsfunktionen sitzen, ein Sachsponsoring von 7000 Euro beiträgt, dann hat die Selbstdarstellung unseres Landes mitten in der Demokratie schon etwas von der Attitüde eines erblichen Adels und seiner Unterhalter bei Hofe gewonnen. Auch hat die Landesregierung, die sich gerne distanzierend-abfällig über Rüstungsbetriebe und deren Geschäfte äußert, noch 2013 die fast 6000 Euro der Diehl Stiftung & Co. KG, eines der wichtigsten deutschen Hersteller von Munition und Lenkflugkörpern, nicht verschmäht. Und 2015 hat man sogar von Google Germany eine Spende in Höhe von 35 700 Euro angenommen. Auch dieser Konzern wittert ja im elektrisch-autonomen Fahren, der Marotte unseres Verkehrsministers, ein gewaltiges Geschäft. Blumen holt man sich dagegen von Bundesgartenschauen oder von der Mainau.“

 

…Audi, Daimler, SAP, DEKRA, Sparkassenverband, Lidl und so weiter und so fort

Wie entwickelt sich dieses Bild nun in den Jahren bis 2018? „Es ändern sich eigentlich Facetten“, so Sänze. Die Hauptsponsoren wie Daimler (Audi tritt 2015 mit 35 700 Euro hinzu, Porsche 2018 mit 23 800 Euro), AOK Baden-Württemberg, SAP, DEKRA, Sparkassenverband, Schokoladen- und Spirituosenhersteller oder die genannten Bundes- und Landesbetriebe bleiben der Stallwächterparty treu. Fahrradhersteller hat Dr. Rainer Podeswa unter den Sponsoren noch keine wahrgenommen. Es treten nun auch baden- württembergische Genussmittelhersteller und Vermarkterverbände in den Vordergrund.

„Mich erinnert das ein wenig an hochmittelalterlich-feudale Zeiten, in denen die Herrscher in ihren Königspfalzen die jeweils abgelieferten Erträge des Landes zu verzehren beliebten, während sie ihre politischen Ränke spannen. Oder wie würde es Ihnen vorkommen, wenn der Landesinnungsverband für das Fleischerhandwerk jährlich Sachleistungen bis zu 19 380 Euro zu dem Fest beiträgt? Oder – mit weniger offensichtlichem Verzehrs-Zusammenhang – der Industrieverband Steine und Erden Baden-Württemberg fast 13 000 Euro an Sachspenden gibt, und 2018 sogar über 39 000 Euro? Ein Schuft, wer Schlechtes dabei denkt! Dem zum Verbrecher gestempelten Diesel hat es zwar nicht geholfen, Häuser werden aber für Frau Merkels liebe Gäste allerorten gebaut. Doch immerhin haben wir keinen ‚Veggie Day‘. Und das Fest wird zusehends demokratischer, indem sich Lidl inzwischen jährlich im Wert von bis zu fast 40 000 Euro beteiligt und sich jeder Lachs leisten kann“, schmunzelt Sänze.

 

Landesregierung sendet falsches Signal an die Bürger

„Aber in völligem Ernst: Die Landesregierung sollte sich schon überlegen, welches Signal sie den Bürgern mit ihren Festen sendet“, resümiert Sänze. „Die Bürger arbeiten bis in den Juni hinein für Steuern und Abgaben. Die Landesregierung hat sich hier, ohne mit der Wimper zu zucken, schon feudale Manieren zugelegt. Lautstarke ‚gesellschaftlich relevante Gruppen‘ simulieren echte, berechtigte Zivilgesellschaft. Sie selber simuliert mit leeren Ersatzritualen wie ‚demokratischen‘ Symposien einiger auserwählter Gesinnungsfreunde Demokratie, verhindert derweil echte direkte Demokratie mit unrealistisch hohen Quoren-Hürden und richtet Feste aus, deren Gästelisten sie als Geheimnis betrachtet. Die Bürger sehen derweil über den Zaun, während eine selbsternannte Medienelite mitfeiern und ihre Version dann zum Besten geben darf. Gerechtfertigt wird das Ganze mit dem politischen Gewicht, das Baden-Württemberg in Berlin haben will. Man sollte dazu aber nicht die Prominenz anfüttern, sondern die Mitwirkungsrechte der Bürger stärken. Der Kongress tanzt.“

Nachzutragen bleibt: Die Landesvertretung in Berlin verursachte zuletzt 2017 an Gebäudekosten insgesamt 602 644,81 Euro und zusätzlich 456 430,11 Euro an Instandhaltungskosten. Auf Podeswas und Sänzes Frage, was der Landesregierung über den Repräsentationsaufwand der Botschaften ausländischer Staaten mit einer derjenigen Baden-Württembergs vergleichbaren Bevölkerungszahl bekannt sei, wusste die Landesregierung leider keine Auskunft.